»Verschollen und gerettet« – Bilder des syrischen Malers Mahmoud Shekhani

DER ANFANG

Über den Anfang sei kurz berichtet. Der ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine Attitüde. Und es fügt sich gut, dass der Begriff Attitüde auch und besonders in der Malerei von Bedeutung ist.

Dierk Motel – wie wir in Waldesruh beheimatet – lehrt ehrenamtlich Flüchtlingen die deutsche Sprache.

Mahmoud Shekhani, aus Syrien gekommen, vertraut sich ihm an, outet sich als Maler, zeigt Handyfotos vom verwüsteten Atelier und von den zerstörten und geraubten Bildern.

Die Bilderfotos sprechen für sich und für ihn.

Er selbst hat nur einen Wunsch: Weiter malen zu dürfen.

Nach einem persönlichen Kennenlernen und Internet-Recherchen können wir Dirk versichern, dass er da einen Schatz ausgegraben hat, und Mahmoud Shekhani zusichern, dass wir uns um ihn kümmern werden.

Diese Zusicherung delegieren wir an den immer hilfsbereiten und »gut vernetzten« Raymund Stolze nach dem Motto »Kobra, übernehmen Sie«.

Nachwort:
ATTITÜDE ist laut Duden: Das Fremdwörterbuch
»durch Erfahrung erworbene dauernde Bereitschaft,
sich in bestimmten Situationen in spezifischer Weise
zu verhalten.«

Anne und Achim Felz
Waldesruh, im Dezember 2017

 

GEDANKEN ZU EINEM AUSSERGEWÖHNLICHEN AUSSTELLUNGSPROJEKT

Leben ist das, was wir
daraus machen.

Henry Miller

Anfang März 2016 informierte uns der bekannte Architekt Prof. Achim Felz, dass er
einen syrischen Maler kennen gelernt hat. Der war unter großen physischen und psychischen Strapazen von Griechenland über die Balkanroute im September 2015 nach Deutschland gelangt. Hier hatte man ihn zunächst nach Hoppegarten bei Berlin »verteilt«, wo er begann, die deutsche Sprache zu lernen. Die Begeisterung unseres Freundes Achim gipfelte in der Aussage, dass Mahmoud Shekhani, so sein Name, der Meister sei und er sich, was die eigenen künstlerischen Fähigkeiten angeht, im Vergleich bestenfalls als Schüler sehen würde.

»Wir müssen uns unbedingt um ihn kümmern, er will wieder mit dem Malen anfangen, was in der Gemeinschaftsunterkunft der Flüchtlinge in Hoppegarten im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma Clinton allerdings nicht möglich ist«, so die Botschaft von Achim an uns.

Wie aber sinnvoll helfen? Die rettende Idee kam uns, als wir erfuhren, dass sämtliche Originalbilder von Mahmoud Shekhanis zwar für immer verloren waren, sie aber digital im Internet noch existierten. Wir wollten zwölf seiner verschollenen Werke als hochwertige Drucke präsentieren, die er aber dann in einem zweiten Arbeitsgang neu malen sollte. Wir waren fest überzeugt davon, dass sich ein unverwechselbarer Reiz des Ausstellungs-Projektes aus der Gegenüberstellung der verschollenen und nun durch den Künstler auf diese sehr persönliche Art geretteten Werke ergibt. Beim Betrachten seiner Arbeiten, würden deutsche Besucher nicht zuletzt Einblicke in die Malerei des arabischen Kulturkreises erhalten können.

Bei einem persönlichen Gespräch am 23. August 2016 in der Rathaus Galerie Hoppegarten bestätigte uns der syrische Künstler, der aus der Protesthochburg Homs stammt, wo er eine lokale Berühmtheit als Maler und Hochschullehrer war, dass ihn unser Vorschlag begeistert hat. Das Thema »Verschollen und gerettet« sei für ihn gleichzeitig eine echte künstlerische Herausforderung. Wir hatten außerdem bei unseren folgenden Begegnungen den Eindruck, dass er durch seine wieder aufgenommene Tätigkeit als Maler sein Flüchtlingstrauma schrittweise überwindet und vor allem neuen Lebensmut gewinnt. Für einen Mann im siebten Lebensjahrzehnt keine einfache Aufgabe.

In einem Test haben wir einige seiner sowohl von Kulturbarbaren der IS Terrormiliz als auch von Soldaten der Regierungsarmee des Präsidenten Baschar al-Aassad entweder gestohlenen oder zerstörten Werke zunächst von der GRAFISCHEN WERKSTATT Elke Seibt reproduzieren lassen. Das Ergebnis stellte uns und vor allem ihn sehr zufrieden. In einem zweiten Schritt sollte Mahmoud Shekhani nun eine Auswahl seiner »verschollenen Bilder« neu- oder übermalen, um damit endlich wieder künstlerisch zu arbeiten.

Allerdings hatten wir ein entscheidendes Problem zu lösen: Um das ehrgeizige Projekt zu realisieren, war materielle Unterstützung (Leinwände, Farben, Pinsel, Terpentin  etc.) unerlässlich. Wir haben damals sofort Kontakt zum Brandenburgischen Verband Bildender Künstlerinnen & Künstler [BVBK] aufgenommen und schriftlich angefragt, ob es möglich wäre, Mahmoud Shekhani zweckgebunden zu helfen. Die Zeit drängte, denn seine Bilder wollten wir erstmals im Frühjahr 2017 einer breiten Öffentlichkeit zeigen – und das keineswegs nur in Hoppegarten!

Das BVBK-Angebot, auf unser geplantes Projekt in der Juli/ August-Ausgabe 2016 des Verbands-Mitteilungsblattes zu informieren, haben wir selbstverständlich angenommen. Allerdings waren wir wohl zu optimistisch, denn es gab nicht eine einzige Rückmeldung auf unseren »Hilferuf«. Damit schien es so gut wie aussichtslos, Mahmoud Shekhanis Ambitionen ernsthaft zu fördern, der einst mit der Kulturabteilung der Botschaft Frankreichs in Syrien auch Ausstellungen und Konzerte organisiert hatte.

Aber ein Aufgeben kam für uns nicht infrage. Wichtig war aber in unserer »Findungsphase«, dass Mahmoud vom Hönower Ehepaar Christel und Alfred Neumann im Alltag bestens betreut wurde. Das betraf nicht nicht nur alle unerlässlichen Behördengänge mit unserem »Künstler-Flüchtling«, sondern auch die erfolgreiche Wohnungssuche, damit er endlich die Gemeinschaftsunterkunft verlassen konnte und wieder malen kann.

Auf der Suche nach Fördermöglichkeiten im Internet kam uns schließlich der Zufall zur Hilfe. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg hatte für 2017 ein Förderprogramm »Kulturprojekte zur Integration und Partizipation von Geflüchteten im Land Brandenburg« auf den Weg gebracht. Warum sich also nicht mit unserer Ausstellungsidee »Verschollen und gerettet« bewerben?

Und es hat dann tatsächlich geklappt! Am 16. Februar vergangenen Jahres erhielten wir die Mitteilung, dass unser Vorhaben eines der insgesamt 36 Projekte und zudem das einzige aus dem Landkreis Märkisch-Oderland ist, das in einem Auswahlverfahren der externen Fachjury in die Förderliste für 2017 aufgenommen wurde.

Unsere Bemühungen hatten sich also gelohnt. Was für eine frohe Botschaft das für Mahmoud
Shekhani
war, ist sicherlich vorstellbar, bekam er doch endlich eine Chance, sich durch seine künstlerische Arbeit zu beweisen. So kann Integration praktisch wirklich gelingen!

Inzwischen hat er nicht nur zwölf von uns ausgewählte verschollene Bilder wieder »auferstehen« lassen, sondern auch längst neue in Öl gemalt, von denen in der Rathaus Galerie Hoppegarten vier gezeigt werden. Und seit vergangenen Oktober ist er zusätzlich motiviert, denn seine Frau und die drei Kinder durften nach langem Warten endlich nachziehen.

Seinen künstlerischen Anspruch hat der syrische Künstler übrigens von seinem großen Vorbild Pablo Picasso, der einmal sagte: »Kunst ist dazu da, den Staub des Alltags von der Seele zu waschen«. Das ist jedenfalls Mahmoud Shekhani nach seinem langen Leidensweg, der ihn bis nach Deutschland führte, in seinen farbenprächtigen Frauenporträts, Stillleben und Landschaften nun bestens gelungen. Und auch wir sind verständlicherweise ein klein wenig stolz darauf, dass wir ihm durch unsere aktive Flüchtlingsarbeit mit diesem außergewöhnlichen Ausstellungsprojekt dabei zur Seite stehen durften …

Dr. Gabriele und Raymund Stolze
Hoppegarten, im Februar 2018