Fussball ist unser Leben – Fotos aus Märkisch-Oderland von Edgar Nemschok

SPORTREDAKTEUR UND VIEL LEIDENSCHAFT

Es läuft die 75. Minute, es steht 0:0, der Wind reißt an den Blättern vom Notizblock und der Regen lässt einfach nicht nach. Mir ist kalt, und eigentlich möchte ich so schnell wie möglich nach Hause. Mein Gott, immer noch 15 Minuten dieses Gemurmel. Das Papier des Blocks ist völlig durchweicht, und der Kugelschreiber hat längst seinen Geist aufgeben. Die eilig geschriebenen Notizen sind nicht mehr zu lesen. Kein Wunder, die Finger sind klamm. Ich habe noch nicht das passende Foto für den geplanten Aufmacher. Jetzt: Angriff über links – Flanke – Kopfball – ja, das ist es …

Das Spiel war nicht toll, doch in der Zeitung wird eine effektvolle Optik zu sehen sein. Sportreporter im Lokalen machen alles: Fotografieren, Schreiben, Interviews und wer
weiß, vielleicht auch bald schon Videos.

Aber natürlich gibt es auch ganz andere Momente.
Szenen, in denen einem Spieler, der nicht Millionen verdient, ein Fallrückzieher gelingt.
Szenen, in denen ein Torwart den Ball mit den Fingerspitzen zur Ecke lenkt.
Szenen, in denen die Mutter oder der Vater vor Stolz ihr Mädchen oder den Jungen in den Arm nehmen und sagen: »Gut gemacht!«.
Szenen, in denen man sich fair die Hand gibt und auch mal drüber lacht, wenn der Ball dann doch nicht so elegant getroffen wurde …

Und was mich dann begeistert, sind die Momente, wenn mir jemand auf die Schulter klopft und sagt: Tolles Bild, toll geschrieben und das muss dann eben nicht Arjen Robben, Manuel Neuer oder Mats Hummels sein. Und manchmal ruft ein Leser in der Redaktion an: »Guter Text und klasse Bild«. Manchmal rufen aber auch die an: »Hey, Du weißt wohl nicht was HSV heißt?« Doch, weiß ich: Hennickendorfer SV, denn wir sind in Märkisch-Oderland und eben nicht in der Bundesliga, denn dort gibt es natürlich den Hamburger SV.

Trotzdem, ich sage auf Neudeutsch: I love my job.

Bei der Installation des Kunstautomaten in Hönow, Ende August vor einem Jahr, sprachen mich Dr. Gabriele und Raymund Stolze an: »Wir mögen Deine Fußballbilder. Willst Du sie nicht einmal ausstellen?« Zunächst dachte ich, sie können das überhaupt nicht ernst meinen. Im Februar 2014 hatten die beiden in der Rathaus Galerie Hoppegarten mit Eberhard Thonfeld und Thilo Wiedensohler von der Agentur Camera 4 Berlin zwei in meinen Augen ganz große Sportfotografen zu Gast, die aus Anlass der Olympischen Winterspiele in Sotschi
faszinierende Wintersportbilder zeigten.

Nun wollten die Stolzes, dass ich das Thema »Fußball-Weltmeisterschaft« präsentieren sollte, was doch ganz schön anspruchsvoll ist. Die findet bekanntlich nicht in Märkisch-Oderland, sondern in Russland statt.

Doch warum eigentlich nicht? Und so habe ich nach einiger Bedenkzeit zugesagt. Zu sehen sind Bilder, die zeigen, dass auch im lokalen Sport richtig hart gekämpft wird. Und ich habe sogar die Hoffnung, dass hier alles noch ein Stück ehrlicher ist!

Edgar Nemschok, im Juni 2018

 

DER AUGEN-BLICK, UM SPUREN ZU HINTERLASSEN …

Eine Ausstellung zur Fußball-Weltmeisterschaft inhaltlich zu gestalten, ist schon eine echte Herausforderung. Naheliegend ist es doch, dass wir uns auf eine Auswahl von Bilddokumenten aus den WM-Turnieren von der Premiere 1930 bis zum vierten Titelgewinn der deutschen Nationalmannschaft 2014 in Brasilien konzentriert hätten. Das wären dann 20 tolle Motive gewesen, die sicherlich Erinnerungen an die größten Stunden des Fußballsports geweckt hätten. Aber ehrlich gesagt, wohl auch nicht mehr …

Und so haben wir diese Idee ganz schnell verworfen und sind glücklicherweise auf eine viel bessere Idee gekommen. Wie wäre es denn, wenn wir Momentaufnahmen dieser faszinierenden Sportart, wo jeder glaubt mitreden zu können, aus Märkisch-Oderland zeigen würden? Also jene Aktiven und Fans bildlich widerspiegeln, für die nicht zuletzt das Motto gilt: »Fußball ist unser Leben …«!

Der richtige Mann für dieses Projekt – da waren wir uns sofort einig – ist Edgar Nemschok. Als wir vor ein paar Jahren den Sportredakteur und Bildreporter nicht nur durch unsere ehrenamtliche Galerietätigkeit kennen lernten, haben wir uns fortan vor allem für seine Sportfotos in der Märkischen Oderzeitung interessiert. Sichtbar wurde dabei, dass »König Fußball« in gewisser Weise auch sein Berufs-Leben dominiert. Immerhin gibt es im Kreis Ostbrandenburg 99 Vereine mit 582 Mannschaften. Da ist es unumgänglich, dass vor allem in der Saison Woche für Woche Fußball-Bilder auf den Regionalsportseiten gebraucht werden.

Dass wir diese Ausstellung gemeinsam mit Edgar Nemschok realisiert haben, liegt jedoch vor allem daran, dass er trotz dieses bisweilen enormen Drucks Gefühle und Gedanken beim Betrachten seiner Fußballfotos weckt. Es sind eben nicht die seelenlosen Auftragsbilder, wo eine Redaktion eine Strafraumszene bestellt, sondern unser Mann hat den Blick für jenen entscheidenden Augenblick, der im besten Fall Spuren hinterlässt.

Ach ja, vorausgesetzt seine Freizeit erlaubt es ihm, so ist er bei aller Liebe zum Sport auch gern in der Natur und beschäftigt sich mit Landschaftsfotografie …

Dr. Gabriele und Raymund Stolze
Hoppegarten, im Juni 2018