„anders – fotografieren“ – Bilder von Ulrike Ertel

BILDER VON MALERISCHEM SCHEIN…

In den Bildern von Ulrike Ertel fällt zuerst die große Bandbreite der künstlerischen Auffassung auf. Man wird an unterschiedliche Stile in der Malerei und Grafik erinnert, die sich manchmal überlagern. Viele Bilder haben eine gleichsam objektive Form. Das gilt besonders für die abstrakten Bilder. Subjektive Aspekte werden oft zurückgenommen und trotzdem erzeugen sie eine sehr eigene Atmosphäre, gleichzeitig aber auch eine Spannung. Man hat das Gefühl, gleich bricht in diese Ordnung irgendetwas ein. Das wird verstärkt durch die Tatsache, dass auf vielen Fotografien keine Personen zu finden sind, und doch glaubt man die Anwesenheit von Personen zu spüren.

Ihre Ursprünge haben diese Bilder zweifellos in der bildenden Kunst und im Film.

Ulrike Ertel stößt etwas an, ruft etwas wach, das eine Geschichte erzeugt, ohne sie zu erzählen. Ihr geht es also weniger um die Wiedergabe des äußerlich bereits Sichtbaren, sondern um die Imagination. Sie fügt bereits Sichtbarem etwas hinzu. Die Arbeiten spielen mehr mit der Strenge als das sie selber streng wären. Vor allem spielen sie mit der Vieldeutigkeit ihrer eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten. Ulrike Ertel hat in diesem Sinne ein „denkendes Auge“. Dieses „denkende Auge“ + „Kameraauge“ + Zufall ergeben Ihre Sichtweisen.

Alle Bilder sind in der ständigen Auseinandersetzung mit der einfachen Abbildillusion von Fo- tografie entstanden. Das geschieht oft durch Verwischung. Die dadurch erzielte Unschärfe ist natürlich keine. Sie ist im Gegenteil die Schärfe dieser Fotografie. Das, was wir hier als Unschärfe ansehen zeigt das Anderssein im Vergleich zum dargestellten Gegenstand. Persönlicher Blick und Kameraauge legen also nicht bloß, sondern umhüllen so wie ein Weichzeichner. Es entstehen auf diese Art Bilder von malerischem Schein. Das Bild „Stierkampf“ ist ein gelungenes Beispiel dafür. Vielfach wird in analogiereichen Metaphern zwischen dem Innen und dem Außen, dem Großen und dem Kleinen der soziale Blick der Künstlerin deutlich, den sie in Ihrer Arbeit als Kinderärztin täglich sensibilisieren muss.

Dass sie Ihre Eindrücke im Laufe der Zeit immer stärker reduziert, dient auch, so denke ich, einer inhaltlichen Klärung und Konzentration. Das Konzentrat, was sie uns vermitteln will, ist sehr ambivalent und muss meines Erachtens nach „ denkend gesehen“ werden. Damit hebt sich Ulrike Ertel aus dem allgemeinen Fotobegriff heraus und schafft Grenzen, die vielleicht zu einer neuen Aufmerksamkeit in der visuellen Wahrnehmung führen.

Berlin, im April 2016
Ingolf Brökel